Vgl. Raffael - Verklärung Christi 1520 - klick

Die Verklärung Christi

 

Theophan Grek - Ikone Verklärung
Ikone - Theophan Grek, frühes 15. Jahrhundert

 

Die Ikone zeigt die Verklärung Christi auf dem Berg Tabor (vgl. Mt 17,1-9). Christus steht in leuchtend weißem Gewand in der Mitte, mit rechter Segenshand und Schriftrolle in der Linken. Beim Evangelisten Matthäus lesen wir: «Dort wurde er vor ihren Augen verwandelt. Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne. Seine Gewänder begannen zu leuchten, so hell wie reines Himmelslicht.» (Mt 17,2)

 

Jesus spricht mit Mose (rechts) und Elija (links). Beide stehen ebenfalls auf einem Berg: Mose auf dem Berg Sinai, wo er von Gott die Gesetzestafeln mit den Geboten für das Volk Israel erhält (vgl. Ex 19; 20) und Elija auf dem Berg Horeb, wo sich ihm Gott nicht im Sturm, nicht im Erdbeben und nicht im Feuer, sondern in einem sanften, leisen Säuseln offenbart (vgl. 1 Kön 19,11-13).

 

Mose und Elija zeigen auf Jesus. In ihm erfüllt sich die Verheißung, die damals an sie ergangen ist. In seinem Sohn Jesus Christus hat sich Gott ganz und vorbehaltlos ausgesagt. Christus ist die Fülle der Offenbarung Gottes. Dies deutet der dunkle und größte Berg an, auf dem Christus steht.

 

Christus ist von konzentrischen Kreisen umgeben, die entgegen unserer Erwartung zur Mitte des Körpers hin immer dunkler werden. Das tiefe Blau des innersten Kreises verweist uns auf die Unerkennbarkeit Gottes. Bei aller Menschenliebe und –nähe bleibt Gott letztlich der ganz Andere, der Unbegreifliche, den wir nie durch und durch erkennen können. Gott bleibt Geheimnis, bleibt Mysterium. Dennoch zeigt sich Gott den Menschen immer wieder, und wir können ihn erahnen: etwa in der Schöpfung – vor allem aber gibt sich Gott in seinem Sohn Jesus Christus zu erkennen.

 

Darum weisen drei hellblaue Strahlen von Christus weg auf die drei Jünger hin, sie sind geblendet vom Licht. Es sind Petrus (links), Johannes (in der Mitte) und Jakobus (rechts). Die Erkenntnis, die Gott ihnen schenkt, ist so gewaltig, so bewegend und zugleich faszinierend, dass die drei Jünger ihren bisherigen Halt verlieren und gewaltsam zu Boden stürzen, kopfüber. Aus der dunkelblauen Wolke ertönt nämlich eine Stimme, die sagt: «Dies ist mein geliebter Sohn, ihn habe ich erwählt. Hört auf ihn!» (Mt 17,5) Den innersten dunklen Kreis verlassen goldene Blitze. Sie leuchten hinter Jesus. Damit sagt uns die Ikone: Die Stimme, die da ertönt, ist die Stimme Gottes. Jesus ist der Sohn Gottes.

 

Für eine Ikone auffallend und ungewohnt die kühne, expressive Malweise und die geometrische Anordnung, genauso die sichere und schnelle Zeichnung. Kräftig die Farben, unten noch grünlich und oben Gold des Himmels. Noch auffallender die schwierigen Aufhellungen in die Gegenfarben hinein, z.b. bei den Lichtern auf den Kleidern der Personen in himmlisches Blau. Auffallend auch die Anreicherung mit zusätzlichen kleinen Details, z.B. der beiden Höhlen inmitten des Berges. Eine Höhle bedeutet bei den wichtigsten Ikonen des Kirchenjahres die tiefste Schicht unserer Seele, die unerlöste schwarze Abgründigkeit unserer Existenz. Und genau dort trifft Gottes lebendiges Licht, dort heilt Gottes Gnade (Weihnachten, Ostern). Also Höllenfahrt, Auferstehung, Himmelfahrt Jesu nach den Evangelien. Aus den Höhlen wächst der neue Paradiesesbaum!

Hier wollen wir drei Hütten bauen

Zwei kleine Szenen, auf griechischen Ikonen oft zu finden: Jesus macht den drei Jüngern Mut zum Aufstieg und bremst beim Abstieg ihre Euphorie ("Hier wollen wir drei Hütten bauen, immer bleiben"), denn erst nach der Auferstehung können sie alle Zusammenhänge von Dunkel und Licht, Tod und Leben, vom armen Mensch und barmherzigen Gott verstehen - und verkünden! Oben in den Zwickeln links und rechts zwei Szenen in himmlischem Blau - Engel dienen dem Herrn.

 

Der Herr ist unsere Mitte. Er ist unser Licht, die Mitte unserer Gemeinschaft, unsere Versöhnung. Das Licht fällt von oben herab und setzt den Bergen Glanzlichter auf. Die Gewächse der Erde beginnen zu treiben, zu blühen und zu reifen. Der Herr spricht mit uns, wie mit Mose und Elija. Er gibt sich uns zu erkennen wie schon den drei Jüngern. Er rüttelt uns wach und lässt unsere Scheinsicherheiten zerbröckeln, damit wir nunmehr auf seinem Fundament aufstehen und als verwandelte, veränderte Menschen, beschenkt mit seiner Erkenntnis, für Ihn Zeugnis geben. Wir lesen bei Matthäus: «Die Jünger wurden von schrecklicher Angst ergriffen und fielen zu Boden. Jesus trat auf sie zu, berührte sie mit der Hand und sagte: Steht auf, habt keine Angst!» (Mt 17,6f.)

 

Auch uns ruft Jesus zu: «Habt keine Angst, steht auf!» Ja, stehen wir doch immer wieder auf, um für die Einheit der Kirche Jesu Christi zu beten. Stehen wir auf, ohne Angst im Nacken und ohne Furcht vor dem nächsten Schritt. Die Szene spielt sich ab auf dem Weg "hinauf nach Jerusalem" – dort wird er sein Leben hingeben für alle. Tabor – ein vorweg genommenes Osterfest.
 

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