Caravaggio - Die Berufung des Matthäus

Michelangelo Merisi – genannt Caravaggio

Die Berufung des Matthäus, Rom 1600
 

Ein Zollbüro, kahle, unbemalte Wände, ein Fenster ohne Licht,
ein rauer Tisch und eine raue Sitzbank.

Fünf Männer sitzen am Tisch, Glücksspiel und Kasse (auf dem Tisch),
sie zählen Geld - ihr Beruf.

Licht von außen, in der Perspektive des Lichtes die Zöllner, 

im Schatten in der dunkelsten Ecke Jesus und der Apostel Petrus.

Modische Kleidung im Jahr 1600,
nur Jesus und Petrus in alten Kleidern, barfuß, mit Wanderstock.

Dunkle und weiche Farben, Szene wie in einem Bühnenraum,
"künstlich" nur der Lichtstrom der Gnade.

 

Caravaggio - Die Berufung des Matthäus

Hinführung zum Gemälde


Zwei Männer in armer historischer Kleidung, barfuß und mit einem Stock, betreten eine Zollstube. Der Raum ist schmucklos, die Mauer nicht verputzt, ein blindes Fenster und die notwendigsten hölzernen Möbel sind alles. Die Jalousie des Fensters könnte sogar auf eine Szene im Freien hinweisen. Auffällig das Streiflicht, das von oben rechts in den Raum hereinbricht und die Szene beleuchtet. So stark ist es wie eine Bühnenbeleuchtung, die Figuren erstrahlen in Schlaglicht und totalem Schatten, hell und dunkel wie in einem Film. Übrigens ist das große Bild in der Seitenkapelle von San Luigi dei Francesi in Rom links positioniert, so dass von der durchbrochenen Stirnwand das Licht tatsächlich bildgemäß einfällt, das hat Caravaggio natürlich genau beobachtet und ausgenützt. Vom Maler wissen wir, dass er oft mit künstlichem Licht arbeitete, er ist allseits bekannt dafür.

 

An einem Tisch sitzen fünf in zeitgemäßer Kleidung steckende Gestalten beim Würfelspiel. Die Mienen teilnahmslos bis höchst interessiert. Ganz links zählt ein junger Zöllner gierig die Münzen, vielleicht lässt er auch einige in seiner gebogenen rechten Hand verschwinden. Dann hinten ein versierter Alter mit Sehbrille (!), daneben ein Charakterkopf von Mann und ein junger Stutzer mit modischem Barett, rücklings sitzend ein Schlägertyp mit einem damals verbotenen Reiterflorett – sofort auf dem Sprung gegen die Eindringlinge.

 

Diese beiden Eindringlinge  von rechts sind Jesus und Petrus. Nackte, staubige Füße, damit hat der Maler um 1600 mehrfach die Gesellschaft geschockt. Es ist eine Botschaft: Jesus einer von uns, arm und immer unterwegs. Von Jesus sieht man nur den Kopf im Lichtstrahl, der Blick fordernd, und seine Hand in der Lichtlinie auf Matthäus weisend. Jesus befiehlt nicht, er lädt ein in freier Berufung. Jetzt, sofort, für immer! Die Hand Jesu ist dem großen Maler der Renaissance Michelangelo Buonarotti (Erschaffung des Menschen in der Sixtinischen Kapelle in Rom) nachempfunden – und zwar der empfangenden Hand Adams, also nicht herrischer Befehl, sondern die Macht der Gnade. Petrus wiederholt die Gebärde mit seiner Rechten, die Kirche also beruft genauso in der Zeitgeschichte und weiht die Berufenen. Petrus wurde nach Kritik erst später dazu gemalt, um das Bild etwas kirchlicher zu machen. Der Papst folgt dem Herrn – jedoch betonte der Maler seinerseits durch den Stock und die staubigen nackten Füße das Irdische, Menschliche, Niedere. Das wurde in Rom gut verstanden!

 
  Folge mir nach!

 

 

"Folge mir,

jetzt auf der Stelle,

für immer!“

 

 

Wer ist berufen? Offenbar dem von rechts oben einfallenden Lichtstrahl der Gnade folgend der Zöllner in der Mitte, der mit dem linken Zeigefinger fragend auf sich zeigt: „Wen meinst du, mich?“ Es gibt neuerdings auch die kaum haltbare Annahme, dass dieser Zeigefinger auf den spielsüchtigen jungen Zöllner weist: “Was, diesen da?“ Wie dem auch sei, der Einbruch der Berufung und Gnade ist gewaltig, „diesen Zöllner da“ beruft der Herr. Kein Himmel steht darüber, es geschieht alles im Alltag des Lebens. Das herausgeputzte Bübchen übrigens lebt auch noch heute: „Für ein bisschen und nicht zu lange würde ich Dir ja folgen!“ Das Wort der Bibel treu und unerbittlich in die Gegenwart versetzt. Nicht zu wundern, dass diese hohe Kunst sich erst gegen Verketzerung durchsetzen musste.

Das Mahl mit den Zöllnern (Mt, 9,9ff)


 Aus dem Evangelium nach Matthäus (9,9ff):

"Und als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm.

Und es begab sich, als er zu Tisch saß im Hause, siehe, da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern.
Als die Pharisäer das sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern? Als Jesus das hörte, sprach er: Nicht die Starken bedürfen des Arztes, sondern die Kranken.

                        Geht aber hin und lernt, was das heißt (Hosea 6,6):
                        »Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.
                         Ich bin gekommen, die Sünder zu berufen 
                         und nicht die Gerechten.“



 

Fünf Personnen in der Zollwache - verrucht und verflucht ihr Handwerk.
Wie der Pharisäer im Tempel betet:" ... aber nicht wie dieser Zöllner da!"


Caravaggio Matteo pubblicani

1. Links in der oberen Ecke - ein alter Fuchs, Geiz.

2. Links der Junge zählt die Moneten - er braucht sie.

3. Der Kopf des Apostels (?) - "Ich? Oder vielleicht...?"

4. Das eitle Bübchen - warum in dieser Gesellschaft?

5.  Rittlings sitzend der Schlägertyp (vgl. damals modernes, aber verbotenes Florentinerschwert), mißtrauisch und argwöhnisch, bereit zum Sprung.

6. Oben die Hand Jesu - "Du da, folge mir!"
 

Ohne moderne Beleuchtungsregie ist hier ein Licht gesehen und gemalt, dass jeden Betrachter berührt und begeistert (damals Proben mit vielen Kerzenlichtern?).

 

 Kontrovers bis heute, auch für Fachleute:

"Wer ist es nun, den Jesus beruft: der bärtige Mann hinten
 oder der Jüngling vorne links, der nicht einmal wahrnimmt,
      was da im Raum geschieht? Folge mir, jetzt und ganz!"


Caravaggio hatte immer große Freunde - und manchmal auch Gegner, die ihm seine profanen Gestalten
oder das weltliche Milieu in seinen (oft von kirchlicher Seite bestellten) Werken zu bestaunen waren.

Caravaggio, Berufung Apostel Matthäus, hell dunkel, chiaro scuro, 

San Matteo Rom, junge Zigeunerin, Barock Italien, Licht Schatten, Madonna dei Palafrenieri